Göllersbach - Themenweg Breitenwaida
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Themenweg
Der Göllersbach – Leitfluss unserer Region und doch ein meist recht wenig beachtetes Gewässer.
Der Themenweg Göllersbach soll mit seinen zehn Stationen einen Einblick in seine vielseitige und wechselvolle Geschichte ermöglichen und auch darauf aufmerksam machen, welche weitreichenden Auswirkungen die Eingriffe des Menschen in den Naturraum auf die gesamte Umwelt hatten und bis heute haben.
- 10 Schautafel auf ca. 1 km entlang des Göllersbaches
- ganzjährig und kostenlos zugänglich
- für Kinderwagen geeignet
- in beide Richtungen zu begehen
- an den „Tut gut!“-Wanderwegen Breitenwaida
Audioguide
Den Göllersbach – Themenweg hören – der Audioguide zum Göllersbach macht es möglich. Biber Billy führt durch die wechselvolle Geschichte und gibt einen Ausblick in die Zukunft des Göllersbaches.
Der Audioguide wurde im Jahr 2022 unter Zusammenwirken des Dorferneuerungsvereins, der Volksschule Breitenwaida und der Freunde des Hollabrunner Waldes gestaltet und durch die Stadtgemeinde Hollabrunn und das Land NÖ finanziell unterstützt.
1, Der Namensgeber einer Region
Der Leitfluss unserer Region
Der Göllersbach ist zweifelsfrei der Quell der Zivilisation in unserer Region. Auch wenn wir es heute nicht vermuten würden, gäbe es ohne diesen Bach viele unserer Orte gar nicht. Über Jahrtausende stellte das Gewässer die Versorgung der hier lebenden Menschen mit Wasser, Nahrung und Wasserkraft sicher. Auch als Verkehrsweg war der Verlauf des Göllersbachtales lange Zeit die einzige Möglichkeit sich in diesem ursprünglich dicht bewaldeten Gebiet fortzubewegen.
Der Name leitet sich ursprünglich vom slawischen Personennamen *Jelenь (= Hirsch) ab. Eine zeitlang wurde er auch „Mida“, als Gegenstück zur „Schmida“, genannt. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich die Bedeutung des Gewässers und das Bewusstsein darüber in der Bevölkerung verändert.
Es ist kaum vorstellbar, dass die heute mitunter ausgesprochen trockene Landschaft des Göllersbachtals einst durch ausgedehnte Feuchtgebiete geprägt war. Durch Regulierungsmaßnahmen wurde der Bach jedoch in ein geradliniges kanalförmiges Abflussgerinne degradiert, das durch die eingetiefte Lage kaum wahrgenommen wird. Als Abflussgerinne wurde der Göllersbach auch lange Zeit genutzt, bis Anfang des 21. Jahrhunderts die letzten Ortschaften im Einzugsgebiet an Kläranlagen angeschlossen wurden. Die Wassergüte war daher lange Zeit auch eine der schlechtesten in Österreich.
Bis heute ist der Göllersbach auch weiterhin ein Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten am und im Wasser und Naherholungsraum für die hier lebenden Menschen. Für Radfahrer ist der Radweg im Göllersbachtal eine schnelle und bequeme Verbindung zwischen der Donau und dem westlichen Weinviertel.
Auch für die Trinkwasserversorgung ist der Göllersbach nicht wegzudenken, da aus seinem tiefliegenden Grundwasserbett, Trinkwasser, das aus dem Hollabrunner Wald zuströmt, für die Region gefördert wird. Eines ist der Göllersbach jedenfalls bis heute geblieben – das verbindende Element zwischen den Siedlungen im Göllersbachtal.
Leben mit dem Göllersbach
Das Leben am und mit dem Göllersbach hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte drastisch geändert. Bis zu den großen Änderungen durch die Regulierungsmaßnahmen und den Kommassierungen war der Bach ein im Göllersbachtal mäandrierender und gut zugänglich, seicht liegender Bach, der teils mehrere parallele Bachläufe und Mühlbäche hatte. Beidseitig des Baches waren große Flächen durch Feuchtgebiete mit Schilfflächen geprägt, die dem Bach im Fall eines Hochwassers genug Raum gaben sich ausbreiten zu können.
Der Bach wurde auch im Alltagsleben genutzt. Sei es zum Fahren mit dem Sautrog in den überschwemmten Feuchtgebieten oder zum Eislaufen zwischen den Ortschaften im Winter. Die Feuchtgebiete waren eine wichtige Weidefläche für Nutztiere und waren ein Naturraum, der in dieser Diversität in der heute großteils geordneten und ausgeräumten Landschaft nicht mehr zu finden ist. Durch die Eintiefung des Göllersbaches, die relativ steilen Böschungen und das kanalartige Bachbett ist das ursprüngliche Erleben des Baches nicht mehr möglich und die Nutzung aus dem Bewusstsein verschwunden.
Der Göllersbach – ein oftmals wenig wahrgenommener Naturraum
Leben am Göllersbach – Junihochwasser im Jahr 1944
Der Göllersbach – von seiner Quelle bis zur Mündung in die Donau
Die Zuflüsse des Göllersbaches von der Quelle bis zur Mündung:
Waldbach | Glasweiner Bach (Krobatengraben) | Gießbach | Ameisenberggraben | Timmelbach (Weyerburgbach) | Gmoosbach, Suttenbrunner Graben | Runzenbach | Puchbach | Froschaubach (Stelzendorfer Bach) | Eitzersthaler Bach (Etzesthaler Bach) | Porraubach | Gruber Bach | Ringendorfer Graben | Parschenbrunner Bach
2, Sein Verlauf im Göllersbachtal
Vom Ursprung bis zur Mündung
Der Göllersbach entspringt im niederösterreichischen Weinviertel westlich des Schlosses Ernstbrunn in einer Seehöhe von ca. 320 m. Als linker Zufluss der Donau mit insgesamt 61 km Länge und einem Sohlgefälle von ca. 2,5 Promille fließt er zunächst als Kleiner Göllersbach nördlich des Hollabrunner/Ernstbrunner Waldes nach Westen, um dann knapp vor der Bezirkshauptstadt Hollabrunn in Richtung Süden zu schwenken.
Südlich der Stadt Hollabrunn durchfließt der Bach auch Breitenwaida und die nach ihm benannte Marktgemeinde Göllersdorf. In Stockerau mündet der Göllersbach in einen Altarm der Donau, den „Stockerauer Arm“, der auch von der Schmida gespeist wird. Im Bereich der ehemaligen Schiffswerft in Korneuburg, fließt dieser in die Donau.
Einst mäandrierte der Fluss aufgrund seines geringen Gefälles durch das gesamte Sohlental, was bis ins 20. Jahrhundert durch die zahlreichen Feuchtwiesen erkennbar wurde. Der Verlauf des Göllersbaches ist seit seiner Regulierung auf weite Strecken geradlinig in einem kanalförmigen Bachbett und fristet in heutiger Zeit ein kaum unbeachtetes Dasein.
Seine Stärke beweist der Fluss bei Starkregenereignissen – das Einzugsgebietes mit allen Zuflüssen von 448,80 km² lässt den Wasserspiegel sehr rasch steigen. Dies lässt sich gut an der Pegelmessstelle in Obermallebarn sehen. Der mittlerer jährliche Niederwasserabfluss beträgt 0,18 m³ pro Sekunde, das Mittelwasser 0,42 m³ pro Sekunde. Bei einem 30-jährlichen Hochwasser schwillt die Wassermenge jedoch bis auf 23 m³ pro Sekunde an, bei einem 100-jährlichen Hochwasser sind es sogar 30 m³ pro Sekunde.
Die durchschnittliche Wassertemperatur beträgt um die 16 Grad im September. Der Göllersbach hat in seinem Einzugsgebiet eine Vielzahl an Zuflüssen, die heutzutage meist unscheinbare Gräben sind.
Hochwasser am Göllersbach
Auch wenn der Göllersbach aufgrund des relativ trockenen subpannonischen Klimagebietes mit kalten Wintern und heißen Sommern relativ wenig Wasser führt, beweist er bei Starkregenereignissen immer wieder seine Gewalt. Während bei Niederwasser ein Pegel von durchschnittlich 190 cm gemessen wird, kann dieser bei einem Hochwasserereignis ein Vielfaches sein.
06. Mai 2015: 429 cm | 09. Juni 1995: 425 cm | 07. Juni 2003: 398 cm | 07. August 2010: 388 cm | 31. Juli 2014: 369 cm
Diese Zahlen zeigen auch die unmittelbaren Auswirkungen der Folgen der intensiveren landwirtschaftlichen Nutzung, der Bodenversiegelung und der wasserbaulichen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten. Durch Begradigung und Absenkung der Gewässer wurden diese zu Abzugsgräben degradiert, deren Aufgabe es ist, das Wasser möglichst schnell abzuleiten. Die Folge ist eine fortschreitende Verringerung des Wasserrückhalts in der Region, die Verschärfung der Hochwassergefahr und die Bodenerosion auf landwirtschaftlichen Flächen bei Starkregenereignissen.
Übersicht über die einstigen Mühlenstandorte am Gewässersystem des Göllersbaches
Pläßmühle in Breitenwaida – eine der einst über 40 Mühlen am Göllersbach
3, Der Starke
Die Mühlen am Göllersbach
Es klappert die Mühle am rauschenden Bach – lange Zeit war die Wasserkraft des Göllersbaches die einzige direkte Energieform, die sich der Mensch zu Nutze machen konnte. Vor Erfindung der Dampfmaschine oder elektrischer Energie prägten die Mühlen und ihre Mühlbäche das Bild des Göllersbachtales. In unserer Region waren es die Getreidemühlen, die auch für die wirtschaftliche Entwicklung einen wichtigen Beitrag leisteten.
Über 40 Mühlen befanden sich einst entlang des Einzugsgebietes des Göllersbaches zwischen Enzersdorf im Thale und der Mündung in die Donau. In Anbetracht des geringen Gefälles des Göllersbaches auch aus heutiger Sicht eine beachtliche technische Leistung, mit der sich der Mensch die Wasserkraft zu Nutze machte.
Über weite Abschnitte des Göllersbaches wurden parallel geführte Mühlbäche als Zuleitung für die Mühlen angelegt. Mit riesigen Wasserrädern von bis 5 m Durchmesser konnten trotz der geringen Wassermengen in niederschlagsarmen Zeiten die Mahlwerke angetrieben werden. Was auch oftmals zu Konflikten zwischen den Müllern führte, wie der Blick in die Archive zeigt. Um diese zu lösen wurde einst strikt festgelegt, wer zu welchem Zeitpunkt und in welcher Menge Wasser aus dem Göllersbach nutzen durfte.
Bis in die 1960-er Jahre wurden die Mühlen am Göllersbach betrieben, ehe mit dem großen Mühlensterben diese Ihren Betrieb einstellten. Einzig die Assmann-Mühle in Sierndorf ist bis heute in Betrieb. Was geblieben ist, sind die zahlreichen Bauwerke, die teilweise bis in die Gegenwart überdauert haben und mittlerweile für andere Zwecke genutzt werden.
An die zahlreichen Mühlbäche erinnert heute kaum noch etwas. Mit den Regulierungsarbeiten wurde der Göllersbach in zahlreichen Abschnitten in ein neues Flussbett verlegt und die einstigen Wehranlagen und Mühlbäche zugeschüttet. So kommt es, dass die einstigen Mühlengebäude weit vom heutigen Flusslauf entfernt sind und nur schwer erahnen lassen, dass sie zum Zweck der Wasserkraftnutzung erbaut worden sind.
Fischzucht im Weinviertel
Eine andere fast vergessene Nahrungsquelle in unserer Region war die Fischzucht. Ab dem Spätmittelalter schuf der Mensch weitere Gewässer oder vergrößerte bestehende Feuchtgebiete durch den Bau von Fischteichen und die Anlage von Mühlen samt Wehranlagen. Die ersten Fischteiche wurden Ende des 14. Jahrhunderts angelegt, die Mehrzahl im 15. und 16. Jahrhundert. Die Teichfläche im Weinviertel übertraf während der Blütezeit der Fischzucht im 17. Jhdt. jene im Waldviertel! Mitte des 18. Jahrhunderts hatte das Weinviertel noch einen Anteil von 64 % an der Fischzucht im Lande.
Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) brach die Teichwirtschaft in unserer Region ein und konnte danach nie wieder das vorherige Niveau erreichen. Der Betrieb von Teichen für die Fischzucht war nicht mehr so lukrativ und die Teiche wurden größtenteils abgelassen. Heute erinnern nur mehr wenige Teiche in unserer Region an diesen einstigen Wirtschaftszweig.
Angeln am Göllersbach – es braucht jedenfalls viel Geduld für einen Fang
Der Biber hat im letzten Jahrzehnt seinen ursprünglichen Lebensraum zurückerobert
4, Seine Tierwelt
Leben am und im Wasser
Auf den ersten Blick scheint der Göllersbach ein wenig bewohnter Lebensraum zu sein. Doch dieser Eindruck täuscht, sowohl im als auch auf dem Wasser bietet der Bach einen wertvollen Lebensraum.
Aitel (Squalius cephalus) und Gründling (Gobio gobio) sind jene Fischarten, die im Göllersbach regelmäßig zu sehen sind. Der begradigte Bachlauf bietet jedoch meist keine geeigneten Laichplätze und verhindert, dass sich die Populationen gut vermehren können. Bei Starkregenereignissen führt die Bodenerosion zu einem starken Sedimenteintrag und Schlammbildung, was das Schlüpfen der Jungfische erschwert. Da der Göllersbach in weiten Abschnitten wenig beschattet ist, wirken sich in den Sommermonaten die steigende Wassertemperatur und der sinkende Sauerstoffgehalt auch negativ auf den Fischbestand aus. Stockente (Anas platyrhynchos) und Graureiher (Ardea cinerea) sind jene Wasservögel, die häufig am Göllersbach beobachtet werden können.
Außerhalb der Siedlungsgebiete werden die Uferböschungen von Wildtieren wie Fasan, Rebhuhn und anderem Niederwild genutzt, da der Göllersbach einen meist noch ungestörten Lebensraum bietet und für die Wildtiere die notwendige Wasserversorgung darstellt. Auch als Wanderroute für Wildtiere hat der Göllersbach eine wichtige Funktion. In seinem Mündungsgebiet besteht auch Hoffnung, dass sich Fischotter wieder ansiedeln.
In den letzten Jahren haben sich auch Biber am Göllersbach eingestellt, deren Anwesenheit durch Fraßspuren an Bäumen der Uferböschung sichtbar sind. Diese stellen eine immer größere Herausforderung seit Anfang des 21. Jahrhunderts dar, da durch Biberbauten im Uferbereich Begleitwege untergraben werden und der Bach für den Menschen ungeplant aufgestaut wird. Der Biber ist jedoch gleichzeitig ein genialer Wasserbauer, der mit Naturmaterialien genau jenen Effekt erzielt, der vom Menschen bei Renaturierungsmaßnahmen nur mit viel Aufwand erreicht werden kann.
Flusskrebse im Göllersbach
Die Veränderung des Göllersbaches durch die Regulierungsmaßnahmen und die zunehmende Verschlechterung der Wassergüte hatte gravierende Auswirkungen auf den Lebensraum vieler tierischer Bewohner, die einst im und am Göllersbach verbreitet waren und heute komplett verschwunden sind.
Kaum vorzustellen, dass Flusskrebse einst auch im Göllersbach lebten und auch am Speiseplan der Bevölkerung standen. Die über Jahrzehnte niedrige Wasserqualität und das über weite Strecken monoton regulierte Bachbett machten den Göllersbach jedoch in weiten Teilen seines Verlaufs zu einem ungeeigneten Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten. Auch der Verlust der ursprünglich vorhandenen ausgedehnten Feuchtwiesen seit dem 19. Jahrhundert führte zu einer Verarmung der Artenvielfalt und einer Austrocknung der Landschaft.
Naturraum Göllersbach – Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten
Balkan-Ehrenpreis (Veronica scardica)
5, Seine Pflanzenwelt
Seltene Pflanzen und Neophyten
Vor der Einflussnahme des Menschen durch Rodung war unsere Region dicht bewaldet. Lediglich die Niederungen des Göllersbaches waren von Feuchtgebieten geprägt. Auch wenn sich dieses Erscheinungsbild grundlegend geändert hat, so haben sich die ursprünglichen Pflanzen teilweise bis heute an den Ufern des Göllersbaches erhalten. Über Jahrhunderte waren das Weidefläche für Nutztiere. Die Weidenbäume wurden als Materialquelle für die Herstellung von Haushaltsgegenständen genutzt. Heute sind es neben den Weiden, die gerne für den Osterschmuck genutzt werden vorrangig die zahlreichen Walnussbäume, deren Früchte im Herbst sehr begehrt sind.
Der Bewuchs der Böschungen ist meist von heimischen Wildpflanzen geprägt. Zunehmend sind aber auch eingeschleppte neue Arten zu sehen, die sich wie die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) oder der Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) invasiv ausbreiten und heimische Arten verdrängen. Das bedroht einerseits den Fortbestand dieser Pflanzen und gefährdet auch jene Tierarten, die diese Pflanzen als Nahrung benötigen.
In den letzten Jahren gibt es einige positive Entwicklungen, vor allem durch die Anlage von Hochwasser-Retentionsbecken und kleinen Teichen als Wildtränke. Rückhalteanlagen haben jedoch nur dann einen positiven Effekt auf die Biodiversität, wenn sie ständig etwas Wasser führen.
Bis heute haben sich jedoch auch besondere „Weinviertler“ Arten am Göllersbach gehalten. Ein Beispiel ist der Balkan-Ehrenpreis (Veronica scardica). Diese in Österreich laut Roter Liste „stark gefährdete“, konkurrenzschwache Art, benötigt offene nasse Schlammböden. Sowohl Wassergräben und Bäche mit entsprechenden Schlammufern als auch künstlich angelegte Retentionsbecken und Teiche werden gerne von dieser Pflanze besiedelt.
In Österreich ist die zeitweise verschollen geglaubte Art heute in 19 Kartierungsquadranten bekannt, wovon 15 im Weinviertel liegen! Drei davon liegen im Einzugsgebiet des Göllersbaches bei Altenmarkt im Thale, bei Viendorf und Oberolberndorf.
Die einstigen Feuchtwiesen
Heute erinnert nichts mehr an die ausgedehnten Feuchtgebiete, die einst das Erscheinungsbild des gesamten Göllersbachtales prägten. Da auf diesen kein Ackerbau möglich war, wurden sie als Weidefläche für Ochsen, Pferde, Ziegen und Schafe verwendet.
Die Nutztiere hielten die Vegetation offen und verhinderten eine Überwucherung der Flächen mit Schilf. Mit ihren kräftigen Hufen rissen sie zudem offenen Stellen in den Boden, auf denen hochspezialisierte Schlammbesiedler gedeihen konnten. Vor der Besiedlung durch den Menschen hatten die großen wildlebenden Pflanzenfresser wie Auerochse und Wildpferd, die in den Talböden grasten, eine ähnliche positive Wirkung auf die Biodiversität.
Aufgrund der Mechanisierung wurden die bis dahin als Weideland genutzten Feuchtwiesen nicht mehr benötigt und für ertragreichere Äcker trockengelegt. Die einst wertvollen Feuchtstandorte wurden dadurch zerstört und zahlreichen Pflanzenarten der Lebensraum entzogen.
Göllersbach im Bereich von Breitenwaida einst und jetzt – damals mit weitläufigen Feuchtwiesen
Löss im Bach! – bei Starkregen ist das ganze Ausmaß der Bodenerosion sichtbar
6, Der einst Wilde
Vom Feuchtgebiet zum Ackerland
Auch wenn unter normalen Umständen der Göllersbach nur ein kleines Rinnsal ist und meist wenig Wasser führt, trat er vor seiner Regulierung bei Unwettern regelmäßig über die Ufer. Auch heute zeigt der Göllersbach bei Starkregenereignissen seine Macht, als Folge der menschengemachten Veränderungen in den zwei letzten Jahrhunderten sind.
Nachdem zur Zeit des Böhmischen Kriegs die Bedeutung der
Teichwirtschaft für die Fischzucht im Weinviertel eingebrochen ist, wurde begonnen die Landschaft verstärkt für den Ackerbau zu nutzen. Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts wurde damit begonnen, Feuchtgebiete trockenzulegen und die Gewässer zu begradigen und abzusenken. Die Bäche und Flüsse wurden zu Abzugsgräben degradiert, deren Aufgabe es ist, das Wasser möglichst schnell abzuleiten. Dies sollte einerseits die Siedlungen gegen Hochwässer schützen und vor allem eine intensivere landwirtschaftliche Nutzung des Flussumlands ermöglichen.
Im 19. und 20. Jahrhundert wurden so im gesamten Weinviertel mit finanzieller Unterstützung des Landes großräumig Flächen von etwa 14.000 Hektar entwässert um die landwirtschaftliche Produktivität steigern zu können. Um den Einsatz immer größerer landwirtschaftlicher Geräte zu ermöglichen, wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte fortschreitend auch die Kleinstrukturen wie Raine, Böschungen, Terrassen, Ackerstufen, Grünflächen und Feldgehölze entfernt. Damit wurde der Wasserrückhalt verringert und die Bodenerosion bei Regenfällen begünstigt. Auch vorhandene Tränken, Schwemmen Lösch- und Eisteiche sowie die ehemaligen Mühlgräben wurden meist beseitigt, der Grundwasserspiegel deutlich abgesenkt und das Weinviertel zu einem weitgehend trockenen Landstrich gemacht.
Mit den einst ausgedehnten Feuchtgebieten mit Schilf- und Röhrichtflächen in den Niederungen des Göllersbaches, ist aber auch der Raum für den Göllersbach verschwunden, in den er sich im Hochwasserfall ausbreiten konnte. Damit verschärfte sich die Hochwassergefahr für die Siedlungen.
Melioration – Gewinnung von Ackerland
Mit Ende des 19. Jhdts. begannen in Österreich verstärkt Bemühungen, Ackerflächen für die Landwirtschaft durch Trockenlegungsmaßnahmen zu gewinnen. Unter dem Titel der Melioration (lateinisch melior ‚besser‘) wurden auch im Göllersbachtal durch die Trockenlegung der Feuchtwiesen mittels Drainagesystemen neues Ackerland geschaffen. Durch die rasche Ableitung des überschüssigen Bodenwassers konnte so der Ertrag gesteigert werden, aber höher gelegene Felder trockneten aus.
In den letzten Jahrzehnten wird ein derart großflächiger Eingriff in die Landschaft zunehmend kritisch gesehen. Wie überall weltweit sind die Feuchtgebiete und mit ihnen der Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten verschwunden. Da diese Umgestaltung der Landschaft auch zu einer Klimaveränderung beiträgt, wird versucht die einst trockengelegten Flächen wieder in Feuchtgebiete umzuwandeln bzw. Wasser im Raum zu halten.
Das regulierte Bachbett des Göllersbaches in Hollabrunn
Göllersbach und Puchbach in Breitenwaida nach einem Gewitter im Mai 2018
7, Der Gezähmte
Schutz vor Überschwemmungen
Die Zunahme der Überschwemmungen führte im 19. Jahrhundert zu ersten Maßnahmen den Bach in seinem Verlauf zu regulieren. Ziel der auch später durchgeführten Maßnahmen war es, die Niederschlagswässer rasch und sicher abzuleiten. Im Gemeindegebiet von Hollabrunn wurde in den 1970-er Jahren die wasserbauliche Regulierung fertiggestellt.
Der Göllersbach wurde dazu in jenes begradigte und um mehrere Meter abgesenktes und hart verbautes Flussbett gezwängt, das sein heutiges Erscheinungsbild begründet. Wertvolle Lebensräume wurden durch Regulierung und Kommassierung beeinträchtigt, wodurch viele Pflanzen- und Tierarten ihre Lebensgrundlage verloren.
Noch Anfang des 21. Jahrhunderts wies der Göllersbach eine der schlechtesten Gewässergüten in Österreich auf. Ursache waren die hohen Nitratwerte und Pestizide, die durch die Einleitung von ungeklärten Siedlungsabwässern und Rückständen aus der Landwirtschaft begründet waren. Während die letzten Ortschaften an den Zuflüssen des Göllersbaches seit den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts an Kläranlagen angeschlossen wurden, ist das Problem mit dem Eintrag von Düngerückständen noch nicht gelöst.
Im Unterlauf des Göllersbaches in der Stockerauer Au führte die Errichtung des Donaukraftwerks Greifenstein in den 1980-er Jahren zu einer grundlegenden Veränderung des Flusslaufes. In den letzten Jahrzehnten trägt auch die zunehmende Technisierung der Pflegearbeiten an den Bachböschungen teilweise zu einem Verschwinden der ursprünglichen Pflanzenarten bei.
Durch die fehlende Beschattung wärmt sich das Bachwasser in den Sommermonaten stärker auf und verschärft dadurch das Problem des Eutrophierung. Auch die bisher eingesetzte Pflegetechnik des Mulchens führt zu einem höheren Eintrag von organischem Material in den Bach.
Nach der Regulierung
Hübsch ist er nicht, der Göllersbach in Hollabrunn – und Leben gibt es in ihm auch nicht in Übermaß. Dafür kann bei Starkregen das Wasser ganz hurtig durchfließen. Seit der Regulierung hat der Göllersbach sein wildes Wesen verloren. In der Stadt Hollabrunn zwang man ihn sogar in einen Betonkanal, der in trockenen Jahren sehr wenig Wasser führt.
Die umfangreichen wasserbaulichen Veränderungen der letzten Jahrhunderte führten jedoch zu gravierenden Folgen für den Grundwasserhaushalt der Region. Die einst wasserreiche und von weitläufigen Feuchtgebieten geprägte Landschaft wurde im Laufe von zwei Jahrhunderten zu einem weitgehend trockenen Landstrich gemacht. Durch die Regulierung wurde der Grundwasserspiegel um ca. 6 m abgesenkt und verstärkt das Problem der zunehmenden Trockenheit.
Abnehmende Niederschläge sowie Pestizide verschlechtern zusätzlich die Wasserqualität. Es sollte daher zu einem Umdenken kommen, das Wasser wieder vermehrt in unserer Region zu halten, anstatt dieses schnell abzuleiten.
Die Ur-Donau vor 11 bis 7 Millionen Jahren – sie formte die Landschaft, wie wir sie heute sehen können
In den Schottergruben am Langen Berg sind die Spuren der Erdgeschichte gut sichtbar
8, Seine Geschichte
Die Entstehung des Göllersbaches
An der Stelle des heutigen Göllersbaches senkte sich in der ausgehenden Kreidezeit durch die beginnende Auffaltung der Alpen das nördliche Alpenvorland. In weiterer Folge wurde diese Vorsenke von einem Meer, der Paratethys, überflutet und infolge der warmen Wassertemperatur von tropischen Meerestieren und –pflanzen besiedelt. Das Austernriff in der Fossilienwelt bei Stetten, die Glaubersalzböden bei Zwingendorf und Unterstinkenbrunn oder die Dünen am Waschberg sind heute noch Zeugen dieser Zeit.
In vielen Millionen Jahren lagerten sich mächtige Schichten von Gesteinen aus feineren bis gröberen Sedimenten ab.
Vor 15 Millionen Jahren floss bereits die Ur-Donau durch unsere Region, die im Laufe von Millionen Jahren Sande und Schotter aus den sich bildenden Alpen aber auch aus der Böhmischen Masse mitschleppte und hier ablagerte.
Jüngere, seichte Meeresvorstöße mit feineren Ablagerungen wurden bald wieder abgetragen, sodass die härteren kiesigen Schichten der Ur-Donau als Kuppen und Rücken heute die Landschaft prägen. Das wird als Reliefumkehr bezeichnet.
Der Göllersbach mit seinen Nebengerinnen suchte sich später nach Süden seinen Weg zur Donau. Im Laufe der Zeit bildete sich durch Erosion aus dem ursprünglichen Muldental jenes Sohlental, wie es sich heute zeigt.
Die klimatischen Bedingungen des in unseren Breiten vorherrschenden subpannonisch geprägten niederschlagsarmen Klimas führen dazu, dass einige Zuflüsse des Göllersbaches nur episodisch (z.B. nach einem Gewitter) oder periodisch nach der Schneeschmelze, Wasser führen.
Die Ur-Donau in Hollabrunn
Vor 11 Millionen Jahren war die Donau bereits ein breiter Strom, der aus den Alpen im Westen über Krems und Hollabrunn floss und bei Mistelbach in den Pannon(isch)en See mündete. Vor etwa 7 Millionen Jahren floss die Ur-Donau mit einer Breite von etwa drei Kilometern durch das heutige Gemeindegebiet von Hollabrunn. Die Ur-Donau brachte aus den Alpen Gesteinsmaterial heran, das sich in verschiedenen Korngrößen vielschichtig ablagerte und heute als Hollabrunn-Mistelbach-Formation bezeichnet wird.
Mit dem Rückzug des Pannon(isch)en Sees verlagerte die Donau ihre Mündung immer weiter nach Osten. Zurück blieben die Flussablagerungen der Ur-Donau entlang eines etwa 86 Kilometer langen Streifens. Diese Ablagerungen sind beispielweise am Langen Berg in den Schottergruben gut sichtbar und bilden auch den Untergrund für den Hollabrunner Wald. Der Göllersbach durchbrach im Stadtbereich von Hollabrunn diese Ablagerungen, als er nach Süden umschwenkte.
Ringendorfer Graben bei Geitzendorf – ein gelungenes Beispiel für Renaturierung
Forschungsbecken Breitenwaida zur Erforschung von Feinsedimenten in Gewässern des Weinviertels
9, Seine Zukunft
Renaturierung als Perspektive
Die Absenkung des Grundwasserspiegels durch Trockenlegung der Feuchtwiesen und die Regulierung der Gewässer hatten ein rasches Ableiten von Niederschlagswässern zum Ziel, führen jedoch zu einer Verschlechterung des lokalen Wasserhaushaltes. Das Fehlen der oft natürlichen Beschattung und die Belastung des Wassers mit Nitraten, führten zunehmend zu einer Verödung des Baches.
Die gravierenden Folgen aus den Maßnahmen der Vergangenheit haben jedoch in den letzten Jahren zu einem Umdenken geführt. Ziel zukünftiger Projekte ist eine Umgestaltung von derzeit regulierten Gewässern, die sowohl an die Herausforderungen der sich verändernden Niederschlagsereignisse angepasst sind und um gleichzeitig wieder ökologisch intakte Lebensräume zu schaffen.
Die Maßnahmen sind beispielweise die Wiederherstellung von Retentionsräumen und die abschnittsweise Gewässeraufweitungen, um dem Bach wieder mehr Raum für den lokalen Rückhalt von Niederschlag bei Hochwässern zu geben. Gleichzeitig schafft die Verbesserung der Strukturvielfalt des Bachbettes und der Uferbereiche wertvollen Lebensraum für die heimische Pflanzen- und Tierwelt und reguliert die Wasserqualität durch natürliche Beschattung.
In Breitenwaida startete vor einigen Jahren ein Renaturierungsprojekt, bei dem durch einen neuen Bewuchs der Bachböschung eine bewusste Verlangsamung der Fließgeschwindigkeit im Hochwasserfall und eine Beschattung des Wassers erzeugt wird und mit künstlichen Querbuhnen Einbuchtungen vorgenommen wurde.
Wie ein erfolgreich renaturierter Bach aussehen kann, ist am Beispiel des Ringendorfer Grabens zu bewundern. Im Jahr 2014 wurde dem Zufluss des Göllersbaches auf einer Strecke von über 500 Metern wieder seine ursprüngliche gewundene Form gegeben und Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen. Geländemulden speichern das Hochwasser und geben es langsam wieder ab. Auch für den Menschen ist die neue Bachlandschaft ein Erholungsraum.
Forschungsbecken Breitenwaida
Die mechanisierte Landwirtschaft und das Fehlen von Feldrainen führen bei Starkniederschlägen einerseits zu Bodenabtrag auf den Ackerflächen, und andererseits zu Anlandungen in den betroffenen Gewässern. Dies hat enorme Auswirkungen sowohl auf deren Ökologie als auch auf den Hochwasserschutz.
Die Erforschung zur Reduktion des Sedimenteintrags hat daher zum Ziel, Maßnahmen zu erheben um die Hochwasserabflusskapazität sicherzustellen. Im Fokus der Forschungsarbeit ist vor allem die Herkunft der Schwebstoffe, ihr Potential sowie die Erhebung von Möglichkeiten zur Reduktion des Sedimenteintrags.
Das im Jahr 2020 in Breitenwaida durch das Land Niederösterreich errichtete Forschungsbecken dient dabei dazu, Erkenntnisse über den Bodenabtrag aus landwirtschaftlich genutzten Flächen zu liefern sowie das Absetzverhaltens der eingetragenen Feststoffe zu analysieren. Weiters werden die eingeschwemmten Sedimente auch chemisch-physikalisch analysiert, um die Auswirkungen auf das Gewässer hinsichtlich der Inhaltsstoffe festzustellen.
Die Schülerinnen und Schüler der Volksschule in Breitenwaida schätzen die Nähe zum Göllersbach
10, Lebensraum
Leben am Göllersbach
Das Leben mit dem Göllersbach hat sich im Laufe der Geschichte sehr gewandelt. Einst war das Gewässer eine wichtige Energiequelle für die Getreide- und Sägemühlen, aber von der Bevölkerung wegen der jährlichen Überschwemmungen gefürchtet. Heute ist der Gewässer aufgrund der wasserbaulichen Veränderungen in der Vergangenheit nur mehr schwer zugänglich.
Noch vor der großräumigen Trockenlegung und der Regulierung war es möglich im Winter auf den zugefrorenen Wasserflächen beispielweise von Sonnberg aus mit den Eislaufschuhen einen Ausflug nach Hollabrunn zu machen. Im Sommer wurden die nach Hochwässern überfluteten Flächen auch gerne dafür genutzt, um mit Waschtrögen eine Bootsfahrt zu unternehmen.
Umso mehr wird jedoch das Göllersbachtal als Naturraum für Freizeitaktivitäten geschätzt Heute bietet der Göllersbach insbesondere aufgrund seiner weitgehend durchgehenden Begleitwege ideale Voraussetzungen für den Radverkehr. Steigungsarm, vom motorisierten Individualverkehr getrennt und teilweise beschattet ermöglichen diese Wege eine rasche Radverbindung im Göllersbachtal und darüber hinaus.
Die vielen Nuss- und Obstbäume an den Bachböschungen sind für die Bevölkerung und die Tierwelt lokale Lieferanten für frische Früchte und zu Ostern zieren die jungen Triebe der Weiden die Osterbuschen.
Kurioses
In einer sonst sehr trockenen Gegend bietet der Göllersbach eine willkommene Möglichkeit Dinge am und im Wasser auszuprobieren. Sautrogrennen und Expeditionen mit dem Schlauchboot – der Göllersbach hat die Bevölkerung schon zu vielen und teilweise kuriosen Ideen verleitet.
Dass die Ur-Donau vor ca. 11 Mio. Jahren direkt durch den heutigen Hollabrunner Hauptplatz geflossen ist, wurde im Rahmen des Viertelsfestivals im Jahr 2013 auch mit einer Zillenfahrt am Hollabrunner Hauptplatz nachgestellt. Vor einigen Jahren gab es sogar die Sichtung einer Sumpfschildkröte im Göllersbach, die vermutlich ausgesetzt wurde. Für kurze Aufregung sorgte auch der Bericht über die Sichtung eines Krokodils – und stellte sich schnell als gelungene Fotomontage heraus.
Das Angeln nach Fischen ist eine Geduldprobe, das Angeln mit einem Magneten sorgt hingegen für Verwunderung. Den im Göllersbach landeten oftmals auch Gegenstände, für die es keine Verwendung mehr gab. Der Versuch ist es Wert, im Bereich von Brücken das Bachbett danach abzusuchen.